Wölfe und Wissenschaft -

Schießen, Schaufeln, Schweigen.

Das Verschwinden der Wölfe

Eine wichtige Frage bei der Vermehrung und Verbreitung der Wölfe ist der Verbleib und das Schicksal der Tiere. Dabei ist besonders interessant, die Todesursachen zu dokumentieren, um einen Hinweis auf den Anteil illegal getöteter Tiere zu bekommen. Diese Frage lässt sich in Zentraleuropa nur schwer untersuchen, da die Jungwölfe normalerweise in alle Richtungen das Heimatrudel verlassen und theoretisch auch aus vielen benachbarten Regionen zuwandern können. Dänemark ist da eine geographische Ausnahme, da alle zuwandernden und abwandernden Wölfe auf dem Weg nach und von Zentraleuropa Schleswig-Holstein passieren müssen.

Bild: Karte der Halbinsel Jütland, mit verifizierten (C1) Beobachtungen genotypisierter Wölfe, 2007 bis 1. Januar 2020.

Da die meisten Wölfe aufgrund ihres genetischen Fingerabdrucks identifizierbar sind, weiß man in der Regel recht genau welche Wölfe ein- und auswandern und woher sie kommen. Diese Konstellation, die Lage Dänemarks und die genetische Identifizierbarkeit einzelner Wölfe haben Peter Sunde und Kollegen dafür genutzt zu untersuchen, wie viele der nach Dänemark eingewanderten oder dort geborenen Wölfe spurlos verschwunden sind, ohne dass es einen Hinweis auf eine Abwanderung durch Schleswig-Holstein gibt. Wenn ein Wolf längere Zeit nicht mehr nachgewiesen wurde, wurde er für tot erklärt, ohne dass die Todesursache festgestellt werden konnte. Die Autoren nennen das kryptische Mortalität.

Für diese Studie haben die Autoren die Bewegungen und die Aufenthaltsorte von 35 genetisch identifizierten Wölfe in den Jahren 2007 bis 2019 verfolgt. Am Stichtag, dem 1. Januar 2020, sind von diesen 35 Tieren neun gestorben, das heißt diese wurden durch Totfunde belegt. Drei Wölfe sind abgewandert und 14 sind verschwunden. Diese 14 konnten über einen längeren Zeitraum nicht mehr nachgewiesen werden. Da Dänemark und Schleswig-Holstein sehr dicht besiedelt sind und es ein dichtes Netz an Proben-Sammelstellen gibt, gehen die Autoren davon aus, dass diese 14 nicht einfach übersehen wurden, sondern ebenfalls gestorben sind.

Natürlich kann die Todesursache ohne einen Kadaver nicht eindeutig festgestellt werden, doch ist die wahrscheinlichste Ursache die illegale Entnahme. Eine solche hohe Todesrate durch illegale Bejagung wäre für eine nachhaltige Erholung der Wolfspopulation nicht tragbar.

Quelle: Sunde, P,  Collet, S,  Nowak, C, et al.  Where have all the young wolves gone? traffic and cryptic mortality create a wolf population sink in Denmark and northernmost Germany. Conservation Letters.  2021;e12812.

 

Link (Volltext):  https://doi.org/10.1111/conl.12812


Zusammenfassung: Reinhard Hehl

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