Hintergründe und Standpunkte

Stellungnahme

Stellungnahme Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. zum Beschluss der Bundesumweltministerkonferenz


10.12.2023 - Liebe Wolfsfreunde, in Sachen Wolf und Artenschutz drängt sich der begründete Verdacht auf, dass sich schrittweise der Rechtsstaat auflöst. Weder die Teilnehmer der letzten Umweltministerkonferenz mit samt ihrem Beschluss, noch die Positionierung der Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) im Vorfeld der Konferenz kann das entkräften.

Vom Bundesumweltministerium und deren Ministerin darf man erwarten, dass deren Vorschläge in Sachen Wolfspolitik für die gesamte Bundesrepublik auf einer nachvollziehbaren Rechtssicherheit basiert.

Doch die Ministerin, die genau in dem Zeitfenster der komplizierten Verhandlungen innerhalb der Ampel-Regierung zum Heizungsgesetz in Sachen Wolf eine 180-Grad-Wende vollzogen hat und hier offensichtlich zu politischen Kompromissen gegenüber der FDP gezwungen wurde, lieferte nicht.
Sie brachte eher populistische und kontraproduktive Vorschläge, welche rechtlich unzulässig sind und schiebt die Verantwortung auf die Länder ab.
Überrascht hat uns das nicht, denn Frau Lemke hätte eigentlich in Sachen Rechtssicherheit auch längst die Novellierung des §45 aus dem BNatSchG angehen müssen. Dieser ist nicht europarechtskonform, doch auch hier will, kann oder darf die Ministerin nicht tätig werden.
Dass danach ausgerechnet die Protagonisten der Umweltministerkonferenz mit einem rechtsicheren Beschluss vor die Öffentlichkeit treten, war illusorisch.
Der Sinneswandel bei Ministerin Lemke, der Beschluss der Umweltministerkonferenz, die politischen Gebaren einzelner Minister im Anschluss sowie die seit Monaten Hetze, Ängste, Panik und Hysterie schürenden Vertreter aus Politik, Jagd, Bauernverbänden und einzelnen Medien – all das hat den typischen Charakter einer Verschwörung.
Es ist eine Art von Komplott gegen das Wildtier Wolf, gegen Artenschutz und insbesondere gegen das EU-Naturschutzrecht anzusehen. Niemand wird es öffentlich eingestehen, doch die Maschinerie für eine lokale Wiederausrottung des Wolfes in Deutschland, ist längst angeworfen.
Der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. warnt die Öffentlichkeit, aber auch große Umweltverbände eindringlich, diese dramatische Entwicklung zu unterschätzen.
Das Vertrauen in den Rechtsstaat geht verloren, wenn auf der Umweltministerkonferenz behauptet wird, dass langwierige Gesetzesänderungen auf nationaler oder europäischer Ebene gar nicht nötig wären und dass die EU-Kommission den Beschluss als rechtens bestätigt hat.
Stichhaltige Beweise hierfür hat man nicht geliefert und so müssen wir davon ausgehen, dass übergeordnetes EU-Naturschutzrecht (Art. 16 FFH-Richtlinie) untergraben werden soll. Simultan dazu, verweisen wir in diesem Kontext auch auf das noch immer laufende Pilotverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland.
Eine Rechtssicherheit und eine Konformität mit europäischen und nationalen Regelungen ist entgegen aller öffentlichen Beteuerungen und Behauptungen des Bundesumweltministeriums nicht gegeben und würde zudem eine europäische und nationale Rechtsänderung sehr wohl erforderlich machen.
Wölfe sollen zukünftig schneller und unbürokratischer abgeschossen werden können!
Das verstößt, gegen geltendes EU-Natur-u. Artenschutzrecht, welches eine restriktive Vorgehensweise fordert (§ 45 Absatz 7 Satz 1 BNatSchG) und einen Abschuss nur als letzte mögliche Option definiert, wenn keine weiteren Alternative gegeben sind (§ 45 Absatz 7 Satz 2 BNatSchG).
Genau das bestätigten auch die letzten Gerichtsurteile, z.B. aus der Rhön oder aus der Region Hannover, die allesamt nach übergeordnetem EU-Recht entschieden wurden.
Ordnungsgemäß ausgeführter, wolfsabweisender Herdenschutz stellt nicht nur eine rechtmäßige Alternative dar, sondern ist bundesweit die einzige zumutbare, weil zielführende Option.
In angeblich signifikant betroffenen Regionen sollen nun für 21 Tage ohne jede Kontrollinstanz, Schnellabschüsse im Umkreis von 1000m um den letzten Rissvorfall auf jedweden Wolf möglich sein. Bei der Herausbildung solcher regionalen Hot-Spots an Übergriffen hat man schon in der Vergangenheit vor allem in Niedersachsen tatenlos von Seiten des Ministeriums und den Behörden zugesehen und offensichtlich begrüßt, weil man genau diese Hot-Spots zukünftig für seine Politik missbrauchen will!
Die neue, zutiefst hinterhältige Genehmigungspraxis verleitet indirekt dazu, keinen ordnungsgemäß errichteten, wolfsabweisenden Herdenschutz anzuwenden.
Sie konterkariert die positive Entwicklung in Sachen Herdenschutz bei wirtschaftlichen Betrieben und befeuert die aktuell weit verbreitete Tierhaltung mit dem geringmöglichsten Aufwand mit einhergehender Herdenschutzverweigerung in der Hobby- und Nebenerwerbshaltung.
Mit dem beschlossenen Reglement schafft man sich arglistig Spielräume ungeahnten Ausmaßes.
Die vorgeschriebene genetische Individualisierung eines Schadwolfes vor der Abschussgenehmigung soll entfallen, das ist nicht rechtskonform und verstößt gegen Art. 12 und 16 der FFH-RL. Damit riskiert man auch, dass Wölfe abgeschossen werden, obwohl ein Hund der Verursacher war.
Zuständige Behörden sollen auf der Basis „aller Indizien“ ausschließlich optisch über die Eindeutigkeit eines Wolfs als Verursacher eines Risses urteilen.
Das eröffnet die Möglichkeit, jeglichen Vorfall verendeter Nutztiere (Totgeburten etc. oder lediglich stattgefundene Nachnutzung) als Grund dafür zu nutzen, einen Wolfsabschuss zu genehmigen. Die „schnellere Genehmigungspraxis“ soll dabei durch die „Erarbeitung von „Best-Practice-Instrumenten“ wie z.B. Musterbescheiden unterstützt werden.
Zukünftig drohen Manipulationen bzgl. eines künstlich erhöhten Rissaufkommens.
Schon jetzt zeichnet sich ein Szenario ab, dass man ganze Bundesländer, lokale Regionen mit Ausnahmegenehmigungen flächendeckend überziehen will.
Man wird eine hohe Anzahl an simultan erfolgten Abschüssen generieren und das „Wie und Wo“ verschleiern. Die 1.000m-Umkreis-Regelung kann, will und wird niemand kontrollieren. Auch droht hier, dass die Zahl der illegalen Abschüsse in die Höhe schnellt.
Wolfsterritorien an naturräumlichen Gebieten oder raumordnerischen (z.B. kommunalen) Grenzen zu orientieren, ermöglicht lokale Wolfsjagden, die in der Folge dessen zu wolfsfrei geschossenen Zonen führen.
Diese sind vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bereits mehrfach nachdrücklich verboten wurden.
Der Öffentlichkeit soll mit derlei fachlich abstrusen und zudem unrechtmäßigen Beschlüssen eine lösungsorientierte und gute Praxis verkauft werden, doch real werden die Bürger unseres Landes getäuscht und in die Irre geführt.
Es ist wenig überraschend, dass sich in Sachen Wolfs- und Bundespolitik deutliche Parallelen aufzeigen und die Bürger unseres Landes so zunehmend das Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat verlieren.
Der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. sieht in dem Vorgehen der Bundesumweltministerin und in dem Beschluss der Umweltministerkonferenz nicht nur einen Angriff auf das Wildtier Wolf und den Artenschutz.
Es ist ein auch ein breiter Affront gegen die letzten, aktiven Natur- und Artenschutzverbände!
Sollte zukünftig in Gebieten nicht eindeutig und bewiesenermaßen erhöhte, künstlich inszenierte Rissaufkommen, bereits nach erstmaligem Überwinden eines nicht explizit definierten Herdenschutzes und dem somit fahrlässig provozierten Riss von Weidetieren zu einer unbegründeten Abschussgenehmigung führen, wird der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. derartiger Rechtsbeugung konsequent auf dem Rechtsweg entgegentreten und geltendes Recht und Gesetz gerichtlich einfordern – notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof.


Thomas Mitschke

2. Vorsitzender des Freundeskreis freilebender Wölfe e.V.  

thomas.mitschke@freundeskreis-wolf.de  

Mobil: 0151 / 68183462


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