Wölfe und Wissenschaft -

Illegale Abschussgenehmigungen

Auch wenn es keine direkt wissenschaftliche Arbeit ist, ist die Veröffentlichung in der Zeitschrift „Natur und Recht“ zu den illegalen Abschussgenehmigungen sicher von Interesse.

Foto: Ein Wolf im Fadenkreuz. FOTO: DPA | MONTAGE: PODTSCHASKE

Die Rechtslage sieht unter bestimmten Voraussetzungen die letale Entnahme, das heißt die Tötung von Wölfen, vor. Insbesondere hat ein Beschluss der Umweltministerkonferenz auf eine neue Vorgehensweise für Schnellabschüsse von Wölfen, die Weidetiere trotz Herdenschutz gerissen haben, zu einer Zunahme von Abschussgenehmigungen geführt. Diese werden vom Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. regelmäßig vor Gericht mit Erfolg angefochten. Einzelne dieser Fälle werden in der Zeitschrift Natur und Recht behandelt von denen ein dort beschriebener aktueller Fall ein gutes Beispiel dafür ist weshalb solche Abschussgenehmigungen illegal sind.


Der Beschluss vom 1.12.2023 der Umweltministerkonferenz soll in Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen bereits nach erstmaligem Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren durch einen Wolf die Erteilung einer Abschussgenehmigung ermöglichen. Diese Abschussgenehmigung soll zeitlich für einen Zeitraum von 21 Tagen nach dem Rissereignis gelten und die Tötung eines Wolfs im Umkreis von bis zu 1000m um die betroffene Weide im betroffenen Gebiet zulassen. Auf der Grundlage dieses Beschlusses erteilte eine niedersächsische Landesoberbehörde, die zugleich Fachbehörde für Naturschutz ist, mit Bescheid vom 26.3.2024 eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung („letalen Entnahme“) eines Wolfs.  Grundlage dafür war der Riss eines mehr als zwölf Monate alten Rindes am 23.3.2024. Dagegen hat der Freundeskreis geklagt und Recht erhalten. Der Freundeskreis wird in der Veröffentlichung allerdings nicht explizit erwähnt. Es gab eine Reihe von Gründen für die Rechtswidrigkeit der Abschussgenehmigung, von denen hier einige kurz zusammengefasst werden:

Die vom Antragsgegner herangezogene Ermächtigungsgrundlage des Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) erlaubt im Grundsatz ausschließlich die Entnahme eines als Schadensverursacher identifizierten Wolfsindividuums. Eine solche Individualisierung habe der Antragsgegner hier aber im Rahmen der Anwendung des in der Umweltministerkonferenz verabredeten „Schnellabschussverfahrens“ bewusst nicht vorgenommen.

Gemäß Gerichtsbeschluss ist der Bescheid bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil sich aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen keine Hinweise darauf ergeben, dass im Verwaltungsverfahren die vom Land Niedersachsen anerkannten Naturschutzvereinigungen angehört worden sind. Zu dieser Anhörung war der Antragsgegner aber nach BNatSchG grundsätzlich verpflichtet. Das Absehen von einer Beteiligung von auf Landesebene anerkannten Naturschutzverbänden gemäß  BNatSchG und Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) kommt hier jedoch deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsgegner dies in dem angefochtenen Bescheid hätte begründen müssen.
Der angegriffene Bescheid ist auch aus materiellen Gründen rechtswidrig.  Nach BNatSchG und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen eine Abschussgenehmigung zu erteilen, wenn aber Ungewissheit darüber bleibt, ob die Voraussetzungen gemäß FFH-Richtlinie gegeben sind, ist von dem Erlass einer solchen Ausnahmeregelung abzusehen.
Die im Streit stehende Ausnahmegenehmigung erweist sich bei summarischer Prüfung jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil gemäß BNatSchG eine Ausnahme vom strengen Artenschutz nur zugelassen werden darf, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Der Antragsgegner hat nicht ausreichend begründet und nachgewiesen, dass dies hier der Fall ist. Insbesondere bemängelt das Gericht, dass es nach den ersten Rissen die dem aktuellen Riss vorangegangen sind, es zu keiner Verbesserung des Herdenschutzes gekommen ist. Dabei wird explitzit aus dem von der Umweltministerkonferenz im Oktober 2021 beschlossenen Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen zitiert. Dort heißt es in dem Kapitel „Rinder und Pferde“: „Vor jeder Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Wolf zur Abwendung (drohender) ernster wirtschaftlicher Schäden bei Rindern und Pferden ist daher ebenso wie bei Schafen und Ziegen und anderen kleinen Weidetieren zu prüfen, ob die Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen (u.a. stromführende Zäune und/oder Herdenschutzhunde oder Änderungen im Herdenmanagement) eine zumutbare Alternative im Sinne von §45 Abs. 7 S. 2 BNatSchG bzw. eine „anderweitige zufriedenstellende Lösung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie sind.“


In der Veröffentlichung werden noch weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit der Abschussgenehmigung angeführt. Unter dem Strich bleibt aber die Erkenntnis das Abschussgenehmigungen von den Behörden in der Regel ohne Berücksichtigung der Rechtslage erteilt werden. Das trifft insbesondere auch auf das von der Umweltministerkonferenz beschlossene Verfahren für Schnellabschüsse zu.

Quelle: OVG Lüneburg. Ausnahmegenehmigung zur letalen Entnahme eines Wolfs im sog. Schnellabschussverfahren. NuR 46, 410–418 (2024).


Link (Artikel nicht frei verfügbar): https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-024-4402-3


Zusammenfassung: Reinhard Hehl