Wölfe und Wissenschaft -

Individualisierter Herdenschutz 

Beim Herdenschutz werden oft feste Vorgaben gemacht um die Voraussetzungen für die Kompensation von Nutztierschäden zu erfüllen. Allerdings berücksichtigen pauschale Vorgaben beim Herdenschutz nicht die individuelle Situation des Nutztierhalters. Hier leistet der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. einen wichtigen Beitrag bei der Beratung von Nutztierhaltern. Dass ein individualisierter Herdenschutz erfolgreich sein kann, zeigt die Arbeit von Valeria Salvatori und KollegInnen, die in der Zeitschrift Frontiers in Conservation Science erschienen ist.

Bild: Kangals im Herdenschutz bei Rindern © Chris Homburg

In dieser Arbeit stellen die AutorInnen eine Methode vor, die die Erfahrungen und das Wissen der Landwirte vor Ort in den Mittelpunkt stellen, damit sie gemeinsam Schadensverhütungs-maßnahmen entwickeln können, die ihren Bedürfnissen besser entsprechen. Sie haben diesen Ansatz im Rahmen des LIFE MEDWOLF-Projekts entwickelt, das zwischen 2012 und 2017 in der Provinz Grosseto, Italien, durchgeführt wurde. Die Provinz Grosseto hat den größten Anteil an landwirtschaftlichen Betrieben in der Region Toskana.

Im Jahr 2012 gab es in der Provinz 1.811 Viehzuchtbetriebe, von denen 60 % Schafe, 42 % Rinder, 23 % Pferde und 7 % Ziegen hielten. Die Landschaft wird von landwirtschaftlichen Flächen dominiert, die mit Waldgebieten durchsetzt sind. Die Viehzucht, insbesondere die Schafmilchproduktion, macht einen bedeutenden Teil der lokalen Wirtschaft aus. Wölfe begannen in den frühen 1980er Jahren, Grosseto wieder zu besiedeln. Die Wolfspräsenz wurde 2013-2014 auf mindestens 13 Rudel und 2017 auf 22-24 Rudel geschätzt. Wölfe ernähren sich von lokal reichlich vorhandenen Wildtieren sowie von Vieh, das offenbar eine sekundäre Nahrungsquelle in ihrer Ernährung darstellt.

Zu Beginn des LIFE MEDWOLF-Projekts wurden Schutzmaßnahmen nur in wenigen Einzelfällen und ohne wesentliche Unterstützung und Überwachung durch die lokalen Behörden eingeführt. Schäden an Nutztieren wurden aufgrund einer Reihe von Vorschriften entschädigt, die sich im Laufe der Zeit änderten, was zu großer Unzufriedenheit der Landwirte führte, was wiederum illegale Wolfstötungen zur Folge hatte. Das Projekt begann mit einer vorläufigen Bewertung des Schadensniveaus in den Betrieben durch Konsultation des verfügbaren Schadensregisters und durch persönliche Interviews von Schafhaltern mit mehr als 20 Schafen. Darunter waren 16 Schafhalter, die im Zeitraum 2007-2012 wiederkehrende Schäden gemeldet hatten. Im nächsten Schritt wurde von der Provinzverwaltung ein Aufruf veröffentlicht und von den Landwirtschaftsverbänden an ihre Mitglieder weitergegeben, durch den Landwirte aufgefordert wurden, ihr Interesse an der Installation von Schutzmaßnahmen zu bekunden. Bei der Auswahl der Betriebe wurden solchen mit höherem Risiko, aufgrund ihrer Lage in einem Gebiet mit größerem Schadensaufkommen, erhöhte Priorität eingeräumt. Ein weiteres Kriterium war die Größe des Betriebes und solche mit Schafhaltung. Die Landwirte mit höherer Priorität wurden von Technikern der Landwirtschaftsgewerkschaften besucht, um ihre Teilnahme am Projekt zu besprechen und gemeinsam Schutzmaßnahmen zu ermitteln, die für die Bedürfnisse, Präferenzen und Arbeitskapazitäten des Landwirts geeignet waren. Schutzmaßnahmen umfassten zum Beispiel mobile und feste Herdenschutzzäune sowie Herdenschutzhunde. Für die Einschätzung der Effektivität der durchgeführten Maßnahmen wurden Wolfsangriffe und Nutztierverluste vor und nach Einrichtung der Schutzmaßnehmen verglichen.

Die Zusammenarbeit mit 86 örtlichen Landwirten führte zu mehr als 50 Anpassungen des ursprünglichen Projektplans und zu einer Verringerung der Anzahl geschädigter Nutztiere in den am Projekt beteiligten Betrieben um insgesamt 50 %. Trotz dieses Erfolges mangelt es seit dem Ende des Projekts in dem betroffenen Gebiet an Kontinuität. Zwar gibt es jetzt eine Gruppe von Landwirten in Grosseto, die sich auf lokaler Ebene für die Einführung von Strategien zur Schadensverhütung einsetzen, doch tun sie dies derzeit ohne Unterstützung durch die regionale Verwaltung.


Quelle: Salvatori, V., Marino, A., Ciucci, P., Galli, C., Machetti, M., Passalacqua, E., ... & Tudini, L. (2023). Managing wolf impacts on sheep husbandry: a collaborative implementation and assessment of damage prevention measures in an agricultural landscape. Frontiers in Conservation Science, 4, 1-9.


Link (Volltext): https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcosc.2023.1264166/full


Zusammenfassung: Reinhard Hehl


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