Wölfe und Wissenschaft -

Inselwölfe 

Wölfe haben nicht nur den europäischen Kontinent besiedelt, sie waren auch auf den großen Inseln wie Großbritannien, Irland und Sizilien beheimatet. Dort wurden sie allerdings in jüngster Zeit ausgerottet, wobei sie auf Sizilien bis in die sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts überlebt haben. Wie hat es der sizilianische Wolf geschafft so lange durchzuhalten und welche Rolle spielt dabei die Hybridisierung mit Hunden? Dies haben Marta Maria Ciucani und KollegInnen untersucht.

Bild: Schematische Darstellung der Evolution des sizilianischen Wolfs

Der Wolf blieb auf Sizilien vom Ende des Jungpleistozäns vor ca. 17.000 Jahren bis zu seiner Ausrottung durch den Menschen im zwanzigsten Jahrhundert isoliert. Heutzutage haben sich nur sieben Museumsexemplare des sizilianischen Wolfs erhalten. Diese zeigen eine für Inselpopulationen charakteristische kleinere Größe. Um die Folgen der langjährigen Isolation in seinem Genom zu untersuchen, haben die AutorInnen von den sieben vorhandenen Museumsexemplaren Proben genommen und konnten vier Kerngenome und fünf mitochondriale Genome gewinnen. Zu Vergleichszwecken sequenzierten sie 33 moderne Wolfsgenome aus ganz Europa und drei Cirneco dell'Etna-Hunde, eine alte sizilianische Jagdrasse. Sie haben diese neuen Daten mit öffentlich verfügbaren Genomen von Hunden und Wölfen kombiniert. Der endgültige Datensatz umfasste 57 moderne eurasische und 5 amerikanische Wölfe, 5 sizilianische Wölfe, 5 pleistozäne Wölfe, 45 moderne Hunde, 24 alte Hunde, 4 Kojoten und 1 Andenfuchs. Durch den Vergleich der Genome konnten verschiedene Wolfsgruppen getrennt werden.

Die sizilianischen Wölfe waren innerhalb der europäischen Wolfsdiversität in der Nähe der italienischen Wölfe platziert, aber in Richtung des Hundeclusters verschoben. Eine Analyse, die sich auf eurasische Wölfe beschränkte, trennte den sizilianischen Wolf vom Rest der Wölfe, während sie den italienischen und sizilianischen Wolf vom asiatischen Hochlandwolf trennte. Die klare Trennung der sizilianischen Wölfe von allen anderen Gruppen steht im Einklang mit einer langfristigen Isolationsgeschichte einer Inselpopulation. Allerdings wies der sizilianische Wolf den größten Anteil der hundebezogenen Komponente auf, nach einem einzelnen iberischen Wolf, der ein Drittel seines Genoms von Hundevorfahren ableitete. Der sizilianische Wolf ist am engsten mit alten und modernen europäischen Hunden verwandt, gefolgt von modernen italienischen Wölfen. Unter den modernen Hunden hatten die italienischen Hunde, wie Spinone, Cane Corso und Cirneco, die höchste genetische Affinität zum sizilianischen Wolf. Die Hybridisierung mit streunenden Hunden, die auf der Insel vorkommen, könnte die hohe Affinität zwischen dem sizilianischen Wolf und modernen italienischen Hunden erklären. Die hohe Affinität zwischen dem sizilianischen Wolf und antiken Hunden aus dem Eneolithikum und der Bronzezeit deutet jedoch auf einen älteren Ursprung für diese Verbindung hin. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Verbindung mit dem eneolithischen kroatischen Hund größer ist als die mit dem moderneren Cirneco-Hund. Der erstere ist somit eine bessere Quelle für die Hundevorfahren des sizilianischen Wolfs.
Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass der sizilianische Wolf eine Mischung aus zwei Abstammungen ist: Wolf (am ähnlichsten dem modernen italienischen Wolf) und Hund (am ähnlichsten den alten europäischen Hunden). In Anbetracht der Ergebnisse stellen die AutorInnen die Hypothese auf, dass die geografische Isolation, die geringe Populationsgröße und die Einführung von Hunden auf Sizilien einen fruchtbaren Boden für die Hybridisierung und die Beibehaltung alter Hundevorfahren im sizilianischen Wolf bildet.


Quelle: Ciucani, Marta Maria, et al. "The extinct Sicilian wolf shows a complex history of isolation and admixture with ancient dogs." iScience 26.8 (2023).


Link (Volltext): https://www.cell.com/iscience/fulltext/S2589-0042(23)01384-6


Zusammenfassung: Reinhard Hehl


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