Wölfe und Wissenschaft -

Positive Selektion von Hundegenen in der iberischen Wolfspopulation

Seit der Domestizierung von Wölfen im späten Pleistozän vor mindestens 10.000 Jahren kam es mehrfach zu einem genetischen Austausch zwischen Hunden und Wölfen. Durch die Sequenzierung der Genome kann dieser Austausch belegt werden. Wenn sich Hybride zwischen Wolf und Hund wieder mit Wölfen kreuzen, kommt es zu einem Verlust der Hundegene. Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein Hundegen den Hybriden einen Selektionsvorteil vermitteln. Dann kann das Gen in der Population erhalten bleiben. Man spricht dann von positiver Selektion.

Foto: Die Verteilung der untersuchten Stichproben der iberischen Wölfe.

Ein Beispiel dafür ist die schwarze Fellfarbe nordamerikanischer Wölfe. Dabei hat sich eine Mutation in einem Gen (ein Allel), welches mit der schwarzen Fellfarbe assoziiert ist, seit einem alten Einkreuzungsereignis von einem frühen indianischen Hund in den nordamerikanischen Wolfpopulationen verbreitet, was einen potenziellen Selektionsvorteil in Waldhabitaten und, aufgrund einer zweiten Funktion des Allels, eine verbesserte Immunantwort zur Folge hat. Können Allele von Genen, die aus solchen Einkreuzungsereignissen in die Wolfspopulation gelangen, auch für das Verhalten bestimmter Wolfspopulationen verantwortlich sein? Dieser Frage widmen sich Carlos Sarabia und KoautorInnen, die eine solche Hypothese für die iberische Wolfspopulation aufgestellt haben. Iberische Wölfe haben nachweislich viel kleinere Ausbreitungsdistanzen als andere Wölfe. Könnten dafür bestimmte Allele verantwortlich sein die aus Hunden eingekreuzt wurden?


Um dies zu untersuchen haben die AutorInnen der Arbeit, neben selbst generierten 24 Genomsequenzen, 126 öffentlich verfügbare Ganzgenomsequenzen iberischer Wölfe analysiert. Dazu kamen die Genomsequenzen von 50 nicht verwandten nordeuropäischen Wölfen sowie von 68 Hunden aus ganz Europa und Westsibirien (darunter 21, die zu iberischen Hunderassen gehören. Durch den Vergleich der Sequenzen konnten die AutorInnen auf das Alter bestimmter Einkreuzungsereignisse schließen und feststellen ob es in der iberischen Wolfspopulation zu einer positiven Selektion bestimmter Hundegene gekommen ist.


Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Vermischungsereignisse zwischen Wolf und Hund wahrscheinlich vor mehr als 1000 Generationen stattfanden (vor 3000 Jahren bei einer Generationszeit von 3 Jahren für Wölfe). Dabei wurde festgestellt, dass ungefähr 4,9% des Genoms iberischer Wölfe aus solchen alten Vermischungsereignissen stammen. Die AutorInnen identifizierten Allele aus Hundevorfahren in insgesamt 1761 Genen.  Darunter konnten 1131 Gene (4,73 %) mit Hundeherkunft als Orthologe zu Menschen und/oder Labortieren identifiziert werden. Bei Orthologen kann deren Funktion vorhergesagt werden kann, während 630 Gene unbekannte Funktionen hatten. Interessanterweise zeigten sechs Gene, die in der Hundeabstammung angereichert waren, Zeichen positiver Selektion. Diese Gene hatten Funktionen im Zusammenhang mit der angeborenen Immunantwort, Entzündungen und Reaktionen auf DNA-Schäden. Ob die positiv selektierten Allele der Hundegene tatsächlich für das veränderte Ausbreitungsverhalten iberischer Wölfe verantwortlich sind kann nur vermutet werden.

Die Autorinnen schließen folgendes aus den Ergebnissen: Insgesamt gibt es nur sehr wenig Einkreuzungen von Haushunden in wildlebende iberische Wölfe. Die festgestellte Einkreuzung scheint einen sehr alten Ursprung zu haben, vielleicht aus der Zeit, als iberische Wölfe und Hunde zum ersten Mal in Kontakt kamen. Die Zeit reichte aus, um eine Selektion zu bewirken, die auf einigen eingekreuzten Allelen ihre Spuren hinterlassen hat. Die Allele, die von Hunden in Wölfe eingebracht wurden, die einer positiven Selektion unterlagen und für die eine Funktion identifiziert werden konnte, waren größtenteils mit kognitiven Funktionen/Verhalten oder der Immunantwort verbunden. Dies ist besonders interessant, da bei iberischen Wölfen bereits früher Verhaltensunterschiede, insbesondere eine geringere Ausbreitungsfähigkeit, beschrieben worden sind.


Quelle: Sarabia, C., Salado, I., Fernández‐Gil, A., vonHoldt, B. M., Hofreiter, M., Vilà, C., & Leonard, J. A. Potential Adaptive Introgression From Dogs in Iberian Grey Wolves (Canis lupus). Molecular Ecology, e17639.


Link (Volltext): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/mec.17639


Zusammenfassung: Reinhard Hehl