Wölfe und Wissenschaft -

Positive und negative Einflüsse von Wölfen auf die Landwirtschaft

Wenn von Schäden die Rede ist, die Wölfe in der Landwirtschaft verursachen, ist meistens von Nutztierrissen die Rede. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass es auch positive Einflüsse des Wolfs auf die Landwirtschaft gibt. Genau das haben Marco Davioli und KollegInnen in einem 1950 km2 großen Gebiet in den nördlichen Apenninen Italiens, südlich der Stadt Bologna, untersucht. Die AutorInnen der Arbeit gingen von der Hypothese aus, dass das zunehmende Auftreten von Wölfen zwar die Schäden bei Nutztieren erhöht, doch könnten Schäden durch Wildtiere auf landwirtschaftlichen Anbauflächen durch die Wölfe möglicherweise verringert werden.

Bild: Das Untersuchungsgebiet in den nördlichen Apenninen

Für ihre Untersuchung verwendeten die AutorInnen Daten zu durch Wölfe verursachten Viehverlusten im Zeitraum von 2011 bis 2016 aus offiziellen und geprüften Aufzeichnungen regionaler Behörden. Anhand dieser Daten kontaktierten, besuchten und befragten sie 66 Landwirte, die von Schäden berichteten, sowie 19 benachbarte Landwirte, die im selben Zeitraum nicht von Schäden betroffen waren. Für jeden Betrieb sammelten sie Informationen über die Haltungssysteme, einschließlich der Art der gehaltenen Tierarten, des Vorhandenseins und der Qualität der Zäune um die Weide, der Überwachung durch Hirten oder Herdenschutzhunde und des Vorhandenseins von Nachtpferchen für das Vieh. Daten zum Wolfsvorkommen umfassten 351 lokalisierte Nachweise, die anhand von nicht invasiven Proben zwischen 2008 und 2012 in den nördlichen Apenninen genetisch verifiziert wurden. Die Daten zu Ernteschäden durch Wildschweine bestanden aus lokalisierten und datierten Ereignissen (n = 3442), die von den regionalen Behörden für den Zeitraum 2009 bis 2018 zusammengestellt wurden.

Aus der vorliegenden Arbeit ergeben sich zwei wesentliche Erkenntnisse. Erstens zeigen die Ergebnisse einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Viehverlusten und unzureichendem Viehschutz. Dies deutet darauf hin, dass die Wiedereinführung von Viehschutzmaßnahmen, die aufgrund der langen Abwesenheit von Wölfen im Untersuchungsgebiet weitgehend aufgegeben wurden, direkte Konflikte zwischen Wölfen und Menschen erheblich minimieren kann. Zweitens wurde festgestellt, dass Ernteschäden in den Gebieten, die nach einer Lebensraumkartierung am besten für Wölfe geeignet sind, über den Untersuchungszeitraum immer seltener auftreten. Die AutorInnen vermuten, dass dies auf eine Umverteilung der Ernteschäden im Untersuchungsgebiet hindeutet, da der Prädationsdruck durch Wölfe in der Zeit zunahm, in der die Wolfspopulation anstieg, und Wildschweine häufiger Gebiete aufsuchten, die mit größeren Störungen durch den Menschen verbunden waren und in denen sie Wölfen ausweichen konnten.

Generell zeigt die Studie die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Wildtieren, wenn sich Großraubtiere in vom Menschen dominierten Landschaften ausbreiten, und deutet darauf hin, dass vielfältige, gleichzeitig auftretende Konflikte gemeinsam und adaptiv bewertet werden müssen, um die Koexistenz zwischen Menschen und Wildtieren zu fördern.


Quelle: Davoli, M., Ghoddousi, A., Sabatini, F. M., Fabbri, E., Caniglia, R., & Kuemmerle, T. (2022). Changing patterns of conflict between humans, carnivores and crop-raiding prey as large carnivores recolonize human-dominated landscapes. Biological Conservation, 269, 109553.

 

Link (Volltext): https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320722001069?via%3Dihub 


Zusammenfassung: Reinhard Hehl


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