Paarungen zwischen Wölfen und Hunden kommen in Deutschland nur extrem selten vor. Das liegt daran, dass es hier so gut wie keine freilebenden Hunde gibt. In den südlichen europäischen Ländern wie Griechenland und Italien kommen solche Hybridisierungen häufiger vor und es gibt einen gewissen Anteil an Hundegenen, die in den Wolfspopulationen nachweisbar sind. Die erste Generation (F1) einer Wolf-Hund Hybridisierung trägt je zur Hälfte Wolfsgene und Hundegene. Sollten diese Hybride, soweit lebensfähig und reproduktiv, sich danach nur noch mit Wölfen paaren und keine positive Selektion auf Hundeeigenschaften vorliegen, wird der Anteil an Hundegenen mit jeder Generation halbiert. In der vierten Generation (F4) wäre das ein Anteil von 6,25 % an allen Genen. Anders sieht es aus, wenn Hybriden sich weiter mit Hunden oder mit Hybriden paaren. Unter welchen Voraussetzungen kommt es zu Wolf-Hund Hybriden und wie soll mit diesen verfahren werden? Dieser Frage widmet sich die Arbeit von Nina Luisa Santostasi und KollegInnen in der Zeitschrift Conservation Biology.
Um die anthropogen bedingte Wolf-Hund-Hybridisierung zu verringern, beauftragten die Richtlinie 92/43/EWG des Rates der Europäischen Union und die Empfehlung 173, 2014 der Berner Konvention die Mitgliedsländer, der Wolf-Hund-Hybridisierung durch ein effektives Management entgegenzuwirken. Die Umsetzung des Hybridisierungsmanagements ist jedoch aus praktischen Gründen umstritten. Dies ist auf den unklaren rechtlichen Status von Mischlingen, eine fehlende Einigung darüber, wie einzugreifen ist, und einen Mangel an zuverlässigen Daten über die Wirksamkeit alternativer Managementstrategien zurückzuführen. Obwohl diese Situation dazu führt, dass Managemententscheidungen und deren Umsetzung verzögert werden, deuten Simulationen darauf hin, dass die fortschreitende Hybridisierung bei fehlendem Management zum Aussterben des ursprünglichen Genoms führen kann. Obwohl präventive und proaktive Managementmaßnahmen im Allgemeinen dazu dienen, solche Situationen zu verhindern, stellt ein reaktives Management, das darauf abzielt, die Anzahl und Verbreitung von vermischten Individuen zu reduzieren, ein grundlegendes Instrument dar, um die anthropogene Introgression zu begrenzen und eine weitere Ausbreitung zu einem Hybridschwarm zu verhindern. Bei Hundeartigen wurden hauptsächlich zwei reaktive Strategien angewandt, um das Ausmaß der Hybridisierung zu verringern: die Entfernung von vermischten Individuen aus der Population (d. h. entweder durch Tötung oder Fang) oder ihre Sterilisierung und Freilassung.
In der vorliegenden Arbeit sollte durch die Simulation der Wolfspopulationsdynamik über 10 Generationen unter verschiedenen Managementszenarien die Dynamik der Introgression modelliert werden. Es sollte weiterhin die Auswirkung zusätzlicher anthropogener Mortalität auf die Introgressionsdynamik ohne Management simuliert und die relative Wirksamkeit alternativer reaktiver Managementstrategien (d.h. Entnahme vs. Sterilisation und Freilassung) untersucht werden.
In der Arbeit wurden einige Mechanismen identifiziert, die auf natürliche Weise die Häufigkeit von gemischten Individuen reduzierten (z. B. selektive Paarung und Einwanderung von nicht gemischten Wölfen). Obwohl die selektive Verpaarung den Anstieg der Vermischung hauptsächlich verlangsamt hat, hatte die Einwanderung von nicht gemischten Wölfen einen potenziell starken Effekt auf die Verringerung der Häufigkeit. Andere mögliche Szenarien, die nicht simuliert wurden, wie z. B. unterschiedliche Ausgangsbedingungen (z. B. eine geringere anfängliche Häufigkeit oder eine geringere Wahrscheinlichkeit der Kreuzung mit Hunden) oder Selektionsdruck, der die Fitness wolfsähnlicher Phänotypen begünstigt, könnten die Ausbreitung der Vermischung in Wolfspopulationen natürlich verhindern. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass unter bestimmten Umwelt- und anthropogenen Bedingungen (z. B. hohe anthropogene Sterblichkeit der Wölfe, Auftreten freilaufender Hunde) die Vernachlässigung des Hybridisierungsmanagements erheblich zur Ausbreitung der Introgression beitragen und möglicherweise zu einer genetischen Überflutung der elterlichen Wolfspopulationen führen kann.
Quelle: Santostasi, N. L., Bauduin, S., Grente, O., Gimenez, O., & Ciucci, P. (2024). Simulating the efficacy of wolf–dog hybridization management with individual‐based modeling. Conservation Biology, e14312.