Wölfe in einem Gebiet mit ungeschützter Pferde- und Rinderhaltung
Das Ausmaß der Schäden, die Wölfe an Nutztieren verursachen, ist sehr unterschiedlich und wird von der Art der Nutztiere, den Weidemethoden und der Umsetzung von Schutzmaßnahmen beeinflusst. Dabei ist klar, dass kleinere Nutztiere wie Schafe und Ziegen besonders von Wölfen betroffen sind und deshalb mit entsprechenden Maßnahmen geschützt werden müssen. Wie sieht es aber mit der Notwendigkeit und der Art von Schutzmaßnahmen bei größeren Nutztieren wie Rindern und Pferden aus? Zu diesem Thema leistet die vorliegende Veröffentlichung von Weronika Baranowska und KollegInnen einen wichtigen Beitrag. In den Jahren 2020–2022 untersuchten die AutorInnen die Zusammensetzung der Nahrung von Wölfen in der Region der Warta-Mündung (im Folgenden WRM) (Westpolen), wo Herden von Rindern (ca. 4.000) und Pferden (ca. 700) frei weiden. Mithilfe von genetischen Fingerabdrücken auf Basis von Mikrosatelliten-DNA-Markern, Tracking und Kamerafallen konnten sie bestätigen, dass das Gebiet von zwei Wolfsfamilien genutzt wird (n = 12 Individuen). Durch die Analyse von Kotproben (n = 109) stellten sie fest, dass sich Wölfe in der WRM hauptsächlich von wildlebenden Huftieren (81,9 % der verzehrten Nahrungsbiomasse) und wildlebenden mittelgroßen Säugetieren (14,5 %) ernähren. Haustiere wurden selten gefressen, Rinder und Hunde machten 3 % bzw. 0,4 % der verzehrten Nahrungsbiomasse aus.
Während dieser zweijährigen Forschungsarbeit wurden nur drei von Wölfen gefressene Rinderkälber gefunden. Die Ernährung der Wölfe im WRM unterschied sich nicht wesentlich von der Nahrungszusammensetzung dieser Beutegreifer in sechs anderen Untersuchungsgebieten innerhalb der mitteleuropäischen Wolfspopulation. Diese Forschung zeigt, dass Wölfe trotz der hohen Verfügbarkeit unbewachter Rinder- und Pferdeherden hauptsächlich wilde Säugetiere jagen.
Diese Arbeit hat bestätigt, dass die Prädation von Nutztieren durch Wölfe kontextabhängig ist. Bei der freien Weidehaltung von Großvieh wie Rindern und kaltblütigen Pferden kann der Einfluss von Wölfen geringer sein als erwartet. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Interaktionen zwischen Wölfen und Nutztieren stark von der Umgebung, den Weidemethoden, dem Wissen der Landwirte über Schutzmaßnahmen, der Verfügbarkeit von wildlebenden Beutetieren und der Stabilität von Wolfsfamiliengruppen abhängt. Aus diesen Gründen ist es bei der Bewältigung potenzieller Konfliktsituationen unerlässlich, all diese Aspekte zu berücksichtigen, bevor Lösungen wie die letale Entnahme in Betracht gezogen werden.
Quelle: Baranowska, W., Bartoszewicz, M., Nowak, S. et al. Low contribution of livestock in the grey wolf diet in the area with high availability of free-ranging cattle and horses. Eur J Wildl Res 71, 48 (2025).